No Fat Chicks!

Gestern Abend schickte ich mich an, eines meiner letzten Schul-Traumata zu be- und verarbeiten: den Sportunterricht. Also schob ich mich mit meinem dicken Rucksack erwartungsvoll in die Straßenbahn Richtung Uni-Sportgelände. Eigentlich wollte ich beim Anblick der ersten gestählten Beine in kurzen Hosen (und das im November!) kehrt machen, aber mein Gewissen zwang mich, tapfer weiter zu gehen. In der Sporthalle roch es überwiegend nach Gummi-Turnschuhen und großen Erwartungen - schließlich waren etwa 50 Mädchen (alles was mit Gymnastik zu tun hat, liegt fast ausschließlich in weiblicher Hand) zusammen gekommen, um gegen Speck, für ihre Kondition oder einfach gegen Rückenschmerzen anzutreten.

Und siehe da: es machte Spaß! Der blonde Gruppenleiter gab lustige Kommentare von sich und ermahnte, stets aufzuhören, wenn's weh tun sollte. Tat's aber nicht, und so rannte ich bräsig grinsend Runde um Runde mit den anderen Mädels zu Greenday-Gitarrenriffs im Kreis.
Was hatte ich nun gelernt? Erstens: Sportunterricht kann Spaß machen. Zweitens: Man muss nicht die Hälfte der Zeit damit beschäftigt zu sein, fremde Körper zu beäugen und sich dabei noch gleichzeitig zu fragen, warum die dumme Kuh hinter einem die ganze Zeit den eigenen Hintern so anglotzt.

Denn: das alte Kreuz Körperkult ist doch wirklich hausgemacht. Wenn Christina Hendricks (Mad Men) Briefe und Mails von Frauen erhält, die beteuern, dass sie dank ihr endlich wieder mit ihrem Körper zufrieden sind, dann ist das einerseits natürlich schön - andererseits aber auch ziemlich befremdlich. Wie anstrengend muss es sein, jeden Tag mit dem Umfang der eigenen Oberschenkel und dem Überquell-Grad des eigenen Bauchs beschäftigt zu sein! Und wie naiv ist es, zu glauben, nur wer schlank ist, ist auch schön (Es sollte übrigens immer schlank und nicht dünn heißen, denn das Wörtchen dünn ist das Äquivalent zu dick). Ganz zu schweigen davon, wie merkwürdig es ist, sich über so enge Kategorien wie schön und nicht schön zu definieren.
Natürlich ist es alarmierend, wenn Terry Poulton in ihrem Buch "No fat chicks - How big business profits by making women hate their bodies - and how to fight back" schon vor mehr als zehn Jahren feststellte, dass das Gewicht eines durchschnittlichen Models 25% unter dem einer normalen Frau liege. Und auch amerikanische Statistiken, nach denen 80% aller Frauen bereits einmal eine Diät hinter sich haben und die Hälfte aller Frauen zu jeder sich bietenden Gelegenheit hungern.
Aber ich kann nur noch einmal betonen, dass Catwalks, Mode-Magazine und Werbung ja gar nicht das Normalmaß darstellen sollen. Sicherlich ist es eine der fieseren Strategien der Werbetreibenden, Frauen ein solches Gefühl von Unvollständigkeit zu vermitteln, dass sie meinen, dieses Loch nur mithilfe von kiloweise Make-Up und tonnenweise Klamotten füllen zu können. Aber man muss sich dieses Gefühl nicht geben lassen. Es gibt viele Zeitschriften, die nicht so aussehen, als seien sie eine aufgepimpte Verkaufspräsentation und viele Menschen, und vor allem Männer (!), denen klar ist, dass der Körper von Bar Refaeli die absolute Ausnahme ist.
So sieht's aus - und wer will schon mit Leonardo DiCaprio zusammen sein?
Statt sich also tränenreich in den zerfledderten Hochglanzseiten zu wälzen, sollte man seinen Hintern lieber mal raus bewegen - zum Beispiel zum Unisport -, da kommt man dann auch mal auf vernünftige Gedanken abseits von Gesichtswachs, Kohlsuppendiät und Brottrunk.

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